
Marie-Luise O‘Byrne-Brandl ist Amouräse Stadtschreiberin und nimmt als Residenzkünstlerin Liebesbriefbestellungen jeglicher Art entgegen und schreibt außerdem Liebesbriefe für beliebte Oberhausener Wahrzeichen.
Die Künstlerin strebt die Transformation der Sehnsucht vom Digitalen ins Analoge an. So schreibt sie die Briefe mit Tinte auf Papier und versendet sie per Post. Aus den Briefen entsteht in Zusammenarbeit mit dem Oberhausener Fotografen Rainer Schlautmann ein Buch, das in Kürze erscheint.

Leseprobe von Liebesbriefen für geliebte Gegenstände für das Buch „Dich zu lieben will ich nie verlernen“
Liebesbrief für ein Oberhausener Wahrzeichen.
Meine liebe Slinky springs to frame bridge,
wenn ich auf Dir laufe, sich Deine Vibrationen in meinen Leib schleichen, bin ich glücklich und fühle mich zuhause. Deine bunten Spiralen berühre ich zaghaft mit meinen Fingerspitzen und freue mich ob ihrer schönen Textur.
Die Zwischenräume Deiner Spiralen sind Nichtmaterielles. Was meine körperliche Hand nicht ertasten kann, ertastet mit Freude mein Geist. Ich liebe jede Sequenz Deines Wesens und Deines Körperbaus. Wenn wir ab und zu alleine sind, nenne ich Dich beim Kosenamen: “ Meine Rehbergerbrücke, meine Heroin. So laufe ich gelegentlich nur im Trenchcoat über meinem Schlafanzug und mit nackten Füßen in meinen Schuhen bekleidet, auf Dir hin und her und lustwandle auf Deiner illuminierten Anziehungskraft. Bei meinen Spaziergängen auf Dir kann ich kluge und schöne ebenso verträumte Gedanken fassen, weil Du mich inspirierst. Deine Schönheit Deine Eleganz, Deine Klarheit, Deine außergewöhnliche Konstruktion, Dein Wohnort über dem Rhein Herne-Kanal in Sichtweite der Ludwiggalerie und des Gasometers faszinieren mich. Die Dimension des Ehrens ist aus unserer Alltagspraxis weitgehend verschwunden, für meine Beziehung zu Dir trifft das nicht zu. „ Ich ehre Dich meine Liebste aus vollem Herzen.“ Ich beneide den Wind, dass er, wenn immer er möchte, Deine 496 Aluminiumbögen, berühren darf. Ich will dich sanfter berühren, als der Wind es vermag, damit ich in Deiner Erinnerung bleibe. Hörst Du mein Herz klopfen, wenn ich bei Dir bin? Ich fühle mich Dir in Zugehörigkeit und Treue verbunden.
In ständiger Wiedersehensfreude.
Mein liebes Christoph Schlingensief Haus
Glück und Unglück halten ihre Hände über Deinem Dach,
Deine ganze Fassade sieht traurig aus
und die leeren Blicke Deiner Fenster schauen in die Ferne.
Was ist ein Haus?
Vier Wände, einige Fenster und Türen
und über dem Ganzen – ein Dach.
Aber die die unter diesem Dach wohnen
betrachten es als magischen Ort
den man Zuhause nennt.
Für Christoph Schlingensief warst Du sein Zuhause
Bevor er aufbrach in die Welt
Um mit seiner Kunst das Unrecht zu bekämpfen.
Vieles hat er geschafft.
Er starb und zwar zu jung und weit entfernt.
Ich würde Dich gerne dazu zu bringen
einen Hut auf Dein Dach zu setzen
und einen Schal um Deinem Kamin zu werfen
um dort mit mir um die Ecke zu schleichen
und in der gemütlichen Gdanska Kneipe
ein paar Bier auf Christoph und seine Kunst zu trinken.
Vielleicht kommt dann ein Lächeln
auf Deine Fassade.
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My dear Christoph Schlingensief’s house
Fortune and misfortune both hold their hands above your roof.
Your whole façade looks somehow sad
and your windows stare vacantly across the street.
But what’s a house?
Four walls, some windows and some doors
and over all a roof.
But those who live beneath that roof
consider it that magic place called home.
Christoph Schlingensief called you his home
before setting off into the world
to fight injustice with his art.
He died too young
far too young and far away.
I wish I could entice you to put a hat upon your roof
throw a scarf around your chimney
and sneak with me around the corner over there
to have a drink or two in the cheerful Gdanska pub
to toast to Christoph and his art
And maybe sweep away the lonely look on your façade .